De Kohlplanters Gruppenfoto

Auf die Frage, was den Tänzern aus diesen Jahren besonders im Gedächtnis geblieben ist, fiel jedem etwas anderes ein. Zum Beispiel die Sache mit dem Massensturz. Fällt ein Tänzer  mal während eines Auftritts hin ist dies bedauerlich, aber noch völlig normal. Sind es schon zwei Tänzer, wird die Sache vielleicht etwas lächerlich. Liegt aber beinahe die gesamte Gruppe auf dem Boden, ist dies ein Moment, in dem man zusammen packen und nach Hause gehen sollte. So geschehen bei einem der ersten Festivals der  AWO, damals noch in Mölln. Lange hatten die Tänzer geprobt, um in schicken Kostümen ihr Können zu zeigen. Leider scheiterte dieser Auftritt aber gänzlich an einem Tanzboden, der sich durch Dauerregen in eine Rutschbahn verwandelte und- Klatsch!, einer nach dem anderen landete auf dem Hosenboden, bis sie zum Schluss fast alle unten lagen. Damals ein Augenblick zum im Boden versinken (und ein Riesenlacher für`s Publikum), aber mittlerweile können auch die Beteiligten zumindest darüber schmunzeln.

Nach langem Herumprobieren mit verschiedenen Kostümen landete die Gruppe schließlich bei mecklenburger Trachten. An sich sehr schick, die breiten Bänder, mit denen die Hauben unter dem Kinn fest gebunden wurden, waren aber den meisten verhasst. In diesen Dingern sah man eher aus wie ein Osterei mit Schleife, hören konnte man durch sie auch nur noch gedämpft, und weil die Haube eigentlich mit Harnadeln festgesteckt wurde, waren sie im Grunde auch noch komplett überflüssig. Jedermann hatte eine tiefe Abscheu entwickelt, die nur von einer Person nicht geteilt wurde- und diese Person war ausgerechnet diejenige mit Entscheidungsgewalt: die Tanzleiterin Ute. Somit hatte die Gruppe schlechte Karten, um die Bänder endlich los zu werden. Bis zu einem denkwürdigen Tag im Hochsommer. Es herrschte eine Hitze wie in den Tropen, der Schweiß rann den Rücken in Sturzbächen hinunter und die Gruppe hatte einen Auftritt in der prallen Sonne. Ein Auftritt, an dem die Ute nicht teilnehmen konnte! Unter der Haube staute sich die Wärme, die ungeliebten Schleifenbänder waren klatschnass und noch unangenehmer als sonst.  Und so entschied man einfach: Die Bänder stellen bei diesem Wetter ein Gesundheitsrisiko dar! Trotz ein klein wenig schlechtem Gewissen dies hinter Utes Rücken zu tun, wurde den Zippeln der Garaus gemacht, sie wurden kurzer Hand abgeschnitten. Und vermisst hat sie seit dem auch niemand- nicht einmal Ute.

Wurden die Bänder auch mit voller Absicht entfernt, für andere Kleidungsstücke trifft dies definitiv nicht zu! Es gibt wohl kaum einen Teil der Tracht, der sich nicht schon mal selbständig gemacht hat. Schultertücher rutschten während des Tanzens runter und wurden mit den Füßen aus dem Weg geschafft, die Bänder der Mieder verhakten sich ineinander und machten es den Tänzerinnen unmöglich, sich voneinander zu lösen, Kniestrümpfe verwandelten sich in Söckchen und ließen weiße Beine unter dem Rock aufleuchten und die Hauben flogen schon oft bei allzu schwungvollen Drehungen davon. Es gibt sogar bedauernswerte Zuschauer, die nur knapp einem Schuh ausweichen konnten, der unerlaubterweise den Tanzkreis verlassen hatte. Die Besitzerin dieses Schuhs bittet nochmals um Entschuldigung! Aber all diese rutschenden und fliegenden Kleidungsstücke sind ja eigentlich noch nicht so schlimm. Unangenehmer wird es schon, wenn jeder im Publikum beobachten kann, wie einem Mitglied der Kindertanzgruppe der Schlüpfer an den Knöcheln hängt. Unter allgemeinem Gelächter wurde dem bedauernswerten Mädchen einfach das Höschen ausgezogen und weiter ging`s. Man ist ja schließlich Profi. Und bei einem Kind ist es ja eh nicht so schlimm… Aber so etwas passiert eben nicht nur Kindern. Bei einem Auftritt in Ungarn konnte man den entsetzten Schrei hören: “Mein Schlüpfergummi ist gerissen!“  Zum Glück hat dies dort außer den Tanzkollegen keiner verstanden, diese hatten allerdings große Mühe die Contenance zu bewahren. Die arme schlüpferlose Tänzerin quälte sich noch durch den Tanz und versuchte danach mit einer Sicherheitsnadel das gute Stück an Ort und Stelle zu halten. Die Tanzgruppe besteht aber aus lauter herzensguten Menschen, und so wurde am Abend, in feierlicher Runde, der Betroffenen ein neue Unterhose überreicht, ein hauchdünner, roter und mit Spitze verzierter Slip, welcher der Allgemeinheit dann auch präsentiert werden musste. Für eine lange Zeit wurde das Dessous alljährlich beim weihnachtlichen Schrottjulclub weiter gereicht, bis es dann schließlich in den Ruhestand versetzt wurde.

Aber nicht nur Wetter und Bekleidung macht es den Tänzern  mitunter schwer, ein ordentliches Programm zu präsentieren. Auch die Technik kann ein beträchtliches Maß an Chaos verursachen. Bei einem Eierfest in Stötebrück fiel aus heiterem Himmel die Musik aus. Aber man konnte in den Gesichtern lesen: Wir geben nicht auf! Es ging auch sehr gut ohne Musik und als diese ganz am Ende des Tanzes beschloss wieder mitzumischen zeigte sich, dass alle trotzdem auf dem Punkt im Takt waren. Es geht aber nicht nur ohne Musik, tanzen geht auch mit falscher. Es ist aber auch zu blöd, wenn man über lange Zeit einen Tanz einstudiert, dieser angesagt wird und man dann auf der Bühne merkt: Moment mal, das ist nicht die richtige Musik!?! So passierte es z.B. der Jugendtanzgruppe. Die erste Kehre tanzten die Teenies dann auch das eigentlich erwartete Programm und schwenkten dann urplötzlich wie auf Kommando auf die Originalchoreographie um. Das Publikum hat nicht bemerkt, dass da was anders als geplant lief und kurioser Weise einige der Tänzer auch nicht! Dass bei der Reisemesse in Hamburg aber etwas so gar nicht rund lief, merkte dann aber wirklich jeder Beteiligte, denn die Musik, die anlief, war komplett unbekannt! Doch Improvisation ist alles, und so rief einfach immer irgendjemand den anderen zu, was man nun tanzen könnte und so brachte man dies dann auch hinter sich. Und von der Tanzleitung gab`s zur Belohnung ein dickes Lob und ein Eis.

Es gibt aber auch diese Momente, in denen einfach gar nichts geht, die Bewohner des Dorfes Gülzow können ein Lied davon singen. Dort tanzt die Gruppe jedes Jahr am 1. Mai und bis vor einigen Jahren versuchten sie sich auch an einem Maibaumtanz. Bei den Versuchen ist es auch geblieben, denn von all den Jahren ist es nur 2 Mal gelungen knotenfrei zum Schluss zu kommen. Und mit vertuschen ist da auch nichts los, denn wenn ein Tänzer, ähnlich wie Old Shatterhand am Marterpfahl, mit Taftbändern gefesselt da steht, so was fällt schon auf. Und da dies jedes Jahr so ablief, war das Gezitter im Vorfelde groß. Ute entschied daher:“ Meine Tänzer brauchen eine Motivation!“, und so wurde kurzerhand ein Schnaps verteilt. Nur an die Erwachsenen versteht sich. Und siehe da, fehlerlos wirbelte man, man flocht und drehte sich, daß es eine wahre Freude war. So legte sich die Angst und man blickte zuversichtlich dem nächsten Auftritt entgegen- der dann wieder gründlich mit Pauken und Trompeten in die Hose ging. Und dabei ist es dann auch geblieben. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Gruppe den Maibaum gänzlich aus ihrem Programm gestrichen hat.

Ach ja, bei dem Gedanken an Old Shatterhand fällt einem ja noch etwas ein. Wenn er nicht grade die Freilichtbühne in Bad Segeberg in Anspruch nimmt, finden dort jede Menge Konzerte statt, z.B. auch das Volksfest des NDR, zu dem die Tanzgruppe eingeladen war. Ein buntes Programm war aufgestellt worden und per Telefon alle Auftrittsmodalitäten geklärt. Pünktlich am späten Nachmittag fand man sich dort ein und marschierte in Richtung Bühne. Die erstaunten Blicke der Zuschauer nahm man nur am Rande wahr und hoch motiviert meldete man sich beim Moderator Ellermann. Doch der reagierte nicht so erfreut, wie man sich das vorgestellt hatte, sondern fragte nur, was man da denn jetzt wolle. Schließlich seien die Tanzgruppen am Vormittag dran gewesen und hatten nun die Bühne für die Profis frei gemacht. Peinlich! Da war wohl was schief gelaufen. Tanzen war jetzt nicht mehr drin, aber so kamen De Kohlplanters  mal dazu, schwungvoll schunkelnd als schmückendes Beiwerk neben Volksmusikgrößen wie Marianne und Michael und Heidi Kabel auf der Bühne zu stehen. Auch was wert.

Aber nicht nur Lustiges bleibt in Erinnerung. Unvergesslich ist das Grillfest, das anlässlich des Festivals im Lauenburger JUZ statt fand. Dieses Festival stand unter dem Motto „Gemeinsam gegen Ausländerfeindlichkeit“. De Kohlplanters hatten für ihre auswertigen Gäste aus Lettland  ein nettes Programm auf die Beine gestellt. Bei einigen der Jugendlichen, die sich normalerweise im JUZ aufhielten, hatte es sich noch nicht herum gesprochen, dass diese Veranstaltung  nicht öffentlich war. Aber man lud sie trotzdem ein dabei zu sein und mitzufeiern. Leider kam es zu einigen unangenehmen Zwischenfällen, worauf sie  gebeten wurden wieder zu gehen. Dies geschah nur mit Widerwillen und einer Drohung, dass der Ärger jetzt erst losgehen würde. Sehr zum Leidwesen der Gäste machte man dies wahr, in dem nach einiger Zeit eine Tränengasbombe auf das Außengelände geschmissen wurde. Der Schuldige gehörte der deutsch- türkischen Gemeinde an und dies warf doch einen sehr großen Schatten auf das Motto des Festivals.

40 Jahre- wie gesagt eine lange Zeit, in der viel passierte. Und wenn es auch den einen oder anderen traurigen Moment gab, zumeist sind die Erinnerungen schön, lustig und geprägt von einer starken Gemeinschaft der Gruppe. Schließen wir doch mit einigen Betrachtungen ab, wie die Gemeinschaft funktioniert, wenn es um ganz profane Dinge, wie z. B. Tanken geht. Im Oktober 2011 machte sich eine kleine Abordnung auf, um beim Herbsttanz in Reinstorf dabei zu sein. Auf dem Rückweg meldete sich der Privatwagen der Tanzleitung: „Mein Sprit ist alle!“ Nichts wie an die nächste Tankstelle, an der man aber leider, leider nur am Automaten zahlen konnte. Dies allein stellte die Mitgefahrenen schon vor eine schier unlösbare Aufgabe. Sollte man erst tanken, dann Karte einstecken? Erst Karte, dann tanken? Oder vielleicht gänzlich auf Karte verzichten und hoffen, dass man auch irgendwo einen Schein hineinschieben könnte? Und überhaupt: Wie funktioniert das hier? Trotz vieler Helfer ging erst mal gar nichts, was unter anderem daran lag, dass der Tankdeckel auf der falschen Seite zu suchen und der Schlauch um einiges zu kurz war. Vorfahren, Zurückfahren- nichts brachte Schlauch und Tanköffnung einander näher. Auch öffnen ließ sich der Deckel erst nach mehreren Versuchen. Die Zuschauer wurden mehr, die Situation immer unangenehmer. Um das ganze Szenario abzukürzen entschied man in einer kurzen  Diskussion, den Schlauch durchs Fenster zu reichen. Unter viel Gelächter war er dann endlich durch das Auto hindurch auf die andere Seite gebracht worden, der Zapfhahn konnte zum Einsatz kommen, man drückte den Hebel und… nichts! Aus irgendeinem Grund kam kein Sprit heraus. Ein kurzes Brainstorming darüber, warum denn kein Sprit käme, ließ sich mit einem Satz umschreiben:“ Da haste garantiert Murks am Automaten gebaut!“ Man erinnere sich, dass ja keiner einen Schimmer davon hatte, wie dieses blöde Ding funktionieren sollte.  Aber eine Lösung war schnell an der Hand: Schlauch zurück durchs Auto, Tankdeckel zu, nichts wie rein in den Wagen, mit quietschenden Reifen fluchtartig den Ort der Blamage hinter sich lassen und beten, das der kleine Rest im Tank noch bis zur nächsten Tankstelle reichen würde. (Hat er!!!)

 

 

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